Das erste digitale Deutschlandtreffen: Ein Rückblick von Dr. Heinz-Werner Fleger
Am 26. Juni dieses Jahres fand das mit Spannung erwartete Deutschlandtreffen der Schlesier erstmalig in digitaler Form statt. Schon im Vorfeld ließ sich die Landsmannschaft Schlesien einiges einfallen, um intensiv für dieses Treffen zu werben. Ansprechende Flyer und kleinere Videosequenzen in YouTube, Facebook oder Instagram machten „Appetit“ auf mehr. In mehreren Videobotschaften warb der Bundesvorsitzende Stephan Rauhut mit voller Leidenschaft und Engagement für das 1. digitale Deutschlandtreffen.
Am 26.6.2021 sollte es dann um 11 Uhr starten. Voller Spannung wartete man dem Start entgegen. 10 Minuten vor Beginn gab es auch schon die erste Überraschung: Sehr schöne, ansprechende und bewegte Luftaufnahmen von schlesischen Sehenswürdigkeiten in hervorragender Qualität ließen die positiven Erwartungen wachsen: die Stadt Görlitz, Schloss Lomnitz, die Friedenskirche in Jauer, Liegnitz, der Falkenberg im Riesengebirge und auch Breslau konnten aus einer ungewohnten Perspektive betrachtet werden. Die Aufnahmen erweckten den inneren Wunsch, wieder einmal oder auch erstmals diese Landschaften und Städte zu besuchen. Meditative Klänge untermalten diese wunderschönen Bilder.
Punkt 11 Uhr war es dann so weit: Präsident Peter Beyer MdB begrüßte die Ehrengäste und die Zuschauer am Bildschirm und fühlte sich geehrt, erstmalig als Präsident die Begrüßung vornehmen zu dürfen. So lobte er die Möglichkeit, Treffen auf digitaler Form durchzuführen, dennoch fehlten ihm die persönlichen Begegnungen. Mit dem Motto „Schlesien verbindet“ erhofft sich Beyer, dass Schlesier und Nichtschlesier, Deutsche und Polen und alle landsmannschaftlichen Vereinigungen wieder näher zusammenfinden.
Nach der Begrüßung folgte ein ökumenischer Gottesdienst, den Generalsuperintendent i.R. Martin Herche und Konsistorialrat Pfarrer Dr. Christoph Lindner zelebrierten. Der Gottesdienst wurde mit feierlichen Glockenklängen des Sankt Annaberges eingeleitet. Nach der Begrüßung durch Pfarrer Dr. Lindner wurde das St. Anna Lied zum Mitsingen eingeblendet und mit Orgelmusik untermalt. In der Lesung, vorgetragen von dem erst 17-jährigen Theo Rauhut, ging es um die Seligsprechungen in der Bergpredigt, auf die Generalsuperintendent Herche in seiner beeindruckenden Predigt einging. Er erinnerte an das bekannte Lied „Über 7 Brücken musst Du gehen“ von der Gruppe Karat. „Brücken verbinden und die Seligsprechungen sind wie Brücken“, so Herches These, „sie führen uns zusammen“. Besonders schlimm empfindet der Generalsuperintendent, wenn Brücken abgerissen werden.
Nach dem Gottesdienst übernahm die junge Journalistin Lea Nischelwitzer die Moderation durch das weitere Programm. Zunächst wurden Fotos vom ersten Deutschlandtreffen vor 71 Jahren in Köln und von den Nachfolgetreffen gezeigt. Namhafte Politiker wie Konrad Adenauer, Ludwig Erhard, Willy Brand, Helmut Kohl, Franz-Josef Strauß, Ernst Albrecht oder Herbert Hupka zählten u.a. zu den prominenten Teilnehmern.
Im Anschluss daran übernahm Präsident Peter Beyer MdB das Wort. In seiner Rede hob er hervor, dass das diesjährige Motto „Schlesien verbindet“ sich in diesem Jahr vielfältiger erwies, als man es zunächst erwartet hat. „Schlesien verbindet: über Grenzen hinweg, aber auch über Generationen“, so seine Worte. Besonders erfreut zeigte sich Beyer über die positiven Entwicklungen in der Jugend. Er lobte den Bundesjugendbeauftragten Tobias Schulz, dem es gelungen sei, aktive Kontakte zur jugendlichen der deutschen Minderheit in Schlesien zu knüpfen. Traditionsgemäß gedachte Beyer aller Verstorbenen, besonders den Opfern durch Flucht und Vertreibung.
Nach der Rede des Präsidenten folgten die Grußworte:
Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay dankte in seinem Grußwort der Landsmannschaft Schlesien für die Pflege der deutsch – polnischen Beziehung.
Ministerpräsident Stephan Weil bedauerte es, dass das Deutschlandtreffen nicht auf gewohnte Weise stattfinden kann: „Nichts geht über den persönlichen Kontakt von Menschen zu Menschen“. Dennoch sprach er der Landsmannschaft Schlesien sein Kompliment aus, dass sie das Deutschlandtreffen trotz Corona durchführt. So dankte er ihr ebenso für das grenzüberschreitende Engagement.
Moderatorin Lea Nischelwitzer verlas das Grußwort von Cezary Przybylski (Marschall der Woiwodschaft Niederschlesien), der zur Kulturpreisverleihung am 2. Oktober 2021 einlädt.
Innenminister Boris Pistorius bedankte sich bei allen Organisatoren im Hintergrund. Er erinnert sich gerne an das letzte Treffen, denn hier wurde er mit der höchsten Auszeichnung, dem Schlesierschild, geehrt. Besonders bewundernswert findet er die Strahlkraft, die von den Deutschlandtreffen ausgehe, und versicherte der Landsmannschaft Schlesien, dass das Land Niedersachsen fest an ihrer Seite steht und stehen wird. „Die Landsmannschaft Schlesien leistet einen unverzichtbaren Beitrag für Europa“, so Pistorius. Europa sei friedvoller geworden, und dazu habe die Landsmannschaft beigetragen.
Nach den Grußworten wurden wieder Rückblicke auf die letzten Treffen in den Jahren 2017 und 2019 gezeigt.
Mit der Verleihung des Schlesierschildes an Volker Bandmann folgte ein weiterer Höhepunkt. Der Bundesvorsitzende Stephan Rauhut würdigte Bandmann für sein herausragendes Engagement. Der in Görlitz lebende Schlesier setzte sich schon früh für den Erhalt der schlesischen Kultur ein, obwohl es ihm die damalige politische Situation alles andere als leicht gemacht hat. So war er maßgeblich daran beteiligt, dass die Farben der schlesischen Flagge in der sächsischen Verfassung verankert wurde oder dass das Schlesische Museum in Görlitz überhaupt durchgesetzt wurde.
Nach der Ehrung wurde das Grußwort von Bundesinnenminister Horst Seehofer eingeblendet, der u.a. auch für die Themen Flucht und Vertreibung zuständig ist.
Er sprach nachträglich seine Glückwünsche zum 70jährigen Jubiläum der Landsmannschaft Schlesien aus: „Kulturelle Wurzeln verleihen Kraft und Selbstvertrauen!“ So versprach Seehofer, dass die Bundesregierung die Aktivitäten der Landsmannschaft Schlesien stets unterstützen wird. Zum Motto „Schlesien verbindet“ stellte der Bundesinnenminister fest: „Besser kann man ein Leitwort nicht formulieren“.
Es folgte die Ansprache des Bundesvorsitzenden Stephan Rauhut. In seiner ansprechenden Rede brachte er zum Ausdruck, dass Schlesien nicht untergegangen sei – im Gegenteil: Stolz blickte er auf den Neuaufbau des Netzwerkes „Junges Schlesien“ und dankte diesbezüglich dem Bundesjugendbeauftragten Tobias Schulz für sein Engagement. Auch wenn sich die Landmannschaft Schlesien für ein freundschaftliches und friedvolles Miteinander einsetzt, werde man es nicht versäumen, die Verbrechen im Zusammenhang mit Flucht und Vertreibung anzusprechen, so die Worte des Bundesvorsitzenden. Außerdem stellte Rauhut aber klar, dass Schlesien viel mehr sei als nur Erinnerung an Leid: „Schlesien lebt!“. Sein Appell: „Menschenverachtende Regime müssen vermieden werden!“, denn: „Wer keine Heimat hat, hat auch keine Freiheit!“
Nach dieser Rede folgte eine Diskussionsrunde, die von Moderatorin Lea Nischelwitzer professionell geleitet wurde. Präsident Peter Beyer MdB, der Bundesvorsitzende Stephan Rauhut, die niedersächsische Landesbeauftragte für Heimatvertriebene und Spätaussiedler Editha Westmann und der ehemalige Bundestagsabgeordnete und Staatssekretär a.D. Hartmut Koschyk nahmen daran teil. Themen der Runde waren die aktuelle Situation zum Thema Schlesien als auch Ziele, die diesbezüglich verfolgt werden. Hartmut Koschyk erinnerte sich an seine Kindheit. Das Thema Schlesien sei stets in der Familie selbstverständlich präsent. Besonders in der heutigen Zeit sei es wichtig, dass man Kindern und Jugendlichen dieses Thema vorlebt, ansonsten wäre es schwer, den schlesischen Gedanken weiterzugeben.
Bundesvorsitzender Rauhut erinnerte daran, dass es zwischenzeitlich einen Bruch zwischen Politik und der Landsmannschaft Schlesien gab. In zahlreichen Gesprächen mit Politikern verschiedener Parteien konnte die Landsmannschaft Schlesien wieder Vertrauen aufbauen. So wünsche er sich auch für die Zukunft die Unterstützung durch die Politik.
Präsident Peter Beyer wies darauf hin, dass auch heute noch die europäischen Werte von einigen europäischen Ländern mit Füßen getreten werden. Er mahnte, dass der Blick auf Schlesien nicht verloren gehen darf und bemängelte, dass die Geschichte Schlesiens bisher kein Thema des Schulunterrichts sei. In seinen Überlegungen für die Zukunft wies Beyer darauf hin, dass einige Schulpartnerschaften wieder mit Leben erfüllt werden sollten. Europäische Werte sind was „Tolles und was Feines!“, unterstrich der Präsident. Im Hinblick auf das Verhältnis Politik und Landsmannschaft Schlesien sieht Beyer noch „viel Luft nach oben“.
Hartmut Koschyk unterstützte die Ausführungen Peter Beyers: „Schlesien sollte auch in den Schulalltag kommen!“. So appellierte er in seinem Schlusswort: „Heimat braucht Engagement!“
Editha Westmann wies darauf hin, dass viele Jugendliche sich ihrer schlesischen Wurzeln bewusst seien, sie wüssten jedoch viel zu wenig über die Heimat ihrer Vorfahren. Deswegen denke sie über Projekte nach, um dies abzuändern. Eine Möglichkeit sei die Förderung von Reisen nach Schlesien. Als Beispiel brachte sie ihre eigene Reise in die schlesische Heimat ihres Vaters. Sie sei so begeistert gewesen und hat nun diese auch als ihre Heimat angenommen. Wichtig sei, so Westmann, dass Jugendliche das Trauma von Flucht und Vertreibung verstehen. Als zusätzlichen Ansporn überlegte sie, ob man bei der Kulturpreisverleihung nicht auch einen Jugendpreis verleihen solle.
Bundesvorsitzender Stephan Rauhut nutzte sein Schlusswort für den Appell, die Schlesischen Nachrichten, die Schlesische Bergwacht oder die Goldberg-Haynauer Heimatnachrichten zu abonnieren, denn damit unterstütze man die Arbeit der Landsmannschaft Schlesien. Er wies darauf hin, dass am 18. September dieses Jahres das neue Filmprojekt der Landsmannschaft im YouTube-Kanal und bei der diesjährigen Bundesdelegiertenversammlung/Schlesische Landesvertretung der Landsmannschaft Schlesien gezeigt wird. Der Titel des Films: „360° Schlesien, ein Land, das verbindet“.
Nach der Diskussionsrunde gab es eine Schaltung direkt nach Oppeln, wo sich Vize-Marschallin Zuzanna Donath-Kasiura auch der deutschen Minderheit widmet. Sie sprach von der Situation vor Ort und von ihrer Motivation, die deutsche Kultur, die deutsche Sprache und die deutsche Identität zu etablieren, die das Leben bereichern sollen.
Ebenso kam der Vorsitzende des Bundes der Jugend der Deutschen Minderheit (BJDM), Oskar Zgonina, zu Wort. Dieser berichtete stolz über die Fortschritte bei der Gewinnung neuer Mitglieder. Hierzu seien zahlreiche Ideen und Projekte notwendig gewesen. Er bedankte sich bei dem Bundesjugendbeauftragten Tobias Schulz, der sie mit innovativen Ideen unterstützt. So findet Zgonina vor allem den aktiven Austausch von Meinungen und Ideen wichtig.
Nach fast 4 Stunden Programm lobte Stephan Rauhut in seinem Schlusswort Lea Nischelwitzer für ihre souveräne und professionelle Moderation. Ein großer Dank gilt dem Land Niedersachsen für die tatkräftige Unterstützung dieses Treffens, das aufgrund der digitalen Technik auf der ganzen Welt ausgestrahlt werden konnte. Rauhut bedankte sich bei allen aktiven Teilnehmern vor und hinter der Kamera, insbesondere bei Bundesgeschäftsführer Damian Spielvogel, der erneut sein Organisationstalent beweisen konnte. So freute sich der Bundesgeschäftsführer über das gelungene digitale Deutschlandtreffen, er hoffe aber, dass in zwei Jahren wieder ein Treffen in gewohnter Weise stattfinden kann. Ein besonderer Dank galt auch Dietmar Schulmeister, der die technische Leitung dieser Veranstaltung innehatte. Schulmeister bewies vor und während der Veranstaltung sein enormes Können und Wissen auf dem Gebiet der modernen Medienbetreuung. Rauhut dankte auch allen Mitarbeitern des Hannover Congress Centrum (HCC), insbesondere Frau Katharina Antonov, die diese Veranstaltung fachmännisch betreut haben.
Im Abspann erklangen dann traditionsgemäß das Schlesierlied „Kehr ich einst zur Heimat wieder“, das Deutschlandlied sowie die europäische Hymne.
DEUTSCHLANDTREFFEN DER SCHLESIER 2021: Die gesamte Aufzeichnung ist weiterhin auf dem YouTube-Kanal der Landsmannschaft Schlesien unter: www.youtube.com/c/LandsmannschaftSchlesien/videoschaft Schlesien — YouTube zu sehen. Weitere Informationen erteilt die Bundesgeschäftsstelle der Landsmannschaft Schlesien: 0 22 44 / 9 25 90.