Die Kynsburg
Die Kynsburg, heute Zamek Grodno, ist nicht nur eine sehr ausgedehnte Anlage mit Unter- und Oberburg. Sie weist auch eine sehr interessante Geschichte auf, die mit Bolko I. von Schweidnitz-Jauer im 13. Jahrhundert beginnt, der diese Burg als Grenzfeste seines Herzogtums erbauen ließ. Von ihm, Herzog Bernhard und Herzog Bolko II. finden wir Porträts in der Burg, die Gräber der beiden Bolkos wiederum in der Piastengruft zu Grüssau. So schließt sich mancher Erkenntniskreis! Die übrigen Jahrhunderte der Kynsburg lesen sich wie ein „Who is who“ des niederschlesischen und deutschen Adels: Reibnitz, Czettritz, Logau, Schaffgotsch, Hohenzollern-Sigmaringen. Aber auch mancher üble Raubritter zog von hier oben aus. Bedeutendster Bauherr war Matthias von Logau, der von seiner Reise nach Italien die Ideen für den Renaissance-Umbau mitbrachte, der von 1545 bis 1567 stattfand. 1680 gab es hier einen Bauernaufstand, da hieß der Besitzer Georg von Eben. Wie so oft, ging es vom 18. Jahrhundert an bergab, und es bedurfte eines Burgenliebhabers, Johann Gustav Gottlieb Büsching aus Breslau, um Unterhaltungs- und Aufbaumaßnahmen anzuschieben. Das Werk wurde insbesondere von Maximilian Ferdinand von Zedlitz und Neukirch fortgeführt, der für seine Verdienste im Krieg von 1870/71 von Kaiser Wilhelm I. die französische Kanone erhielt, die man heute noch bewundern kann. Unter den Zedlitz und Neukirch, die bis 1945 im Besitz der Burg blieben, wurde sogar der bekannte Burgenrestaurator Bodo Ebhardt hinzugezogen.
Die Kynsburg ist auch mit der schlesischen Literatur verbunden, denn neben Kaspar von Logau hat sich auch Karl von Holtei hier aufgehalten, und in seinem Roman „Waldwinter“ hat Paul Keller der Kynsburg als Aufenthaltsort des erholungsbedürftigen Schriftstellers ein bleibendes Denkmal gesetzt: „Ein neues Tal öffnete sich dem Blicke. Ein Gebirgsfluß durchströmte es seiner Länge nach (…) Drüben über dem Tale stieg ein Bergkegel empor, von unten bis oben mit Laubwald bestanden, und über die obersten Baumkronen ragte ein grauer Turm (…) Hoch ragt das in seinem Verfall noch stattliche Bauwerk vor mir auf. Die Burgmauer umschließt noch den ganzen Hof; freilich zeigt ihr oberer Rand zahllose Lücken (…) Aber das Hauptgebäude scheint gut erhalten zu sein, und ebenso der hohe sechseckige Turm.“ Später folgt noch eine genaue Beschreibung der von ihm bewohnten Zimmer, die wir unschwer als den heute zu besichtigenden Räumen nachempfunden entschlüsseln können.
Natürlich gibt es, wie bei jeder Burg, auch eine bis heute gepflegte, hinreichend grausame Sage, ein entsprechendes Skelett und ein Schädel werden im Burgverlies präsentiert.
Zamek Grodno ging es nach 1945 nicht ganz so gut, es setzte ein rascher Verfall ein, der erst nach 2000, als sich die Gemeinde Walim der Burg annahm, gestoppt wurde. Von 2009 bis 2018 wurden umfangreiche Restaurierungsarbeiten durchgeführt. Die über eine Folge sehr schöner Räume verfügende Burg ist neben dem „Komplex Riese“, also den von den Nationalsozialisten unter Opferung von Gesundheit und Leben vieler KZ-Häftlinge angelegten gewaltigen Stollenanlagen im Eulengebirge, und der Talsperre die Hauptattraktion der Gemeinde. Es gibt mehrsprachige Führungen, und auch eine Burggaststätte ist vorhanden. Und schließlich ist es auch nicht sehr weit bis zum Gipfel der Wielka Sowa/Hohe Eule, mit 1.015 m und 2006 wieder eröffnetem Aussichtsturm höchster Punkt des gesteinsmäßig ältesten Gebirgsteils der Sudeten – das Eulengebirge besteht überwiegend aus Gneis.
Bis 1945 waren übrigens auch die Bezeichnungen „Schlesiertal“ und „Schlesiertalsperre“ für diesen Abschnitt des Weistritztals gebräuchlich.
Michael Reinboth: Die Kynsburg, in: SCHLESICHE BERGWACHT, 01/2022, Seite 7