„Lasst die Kinder zu mir kommen“ — Mutter-Anna-Wallfahrt 2024
Die Heilige Anna ist die Mutter Marias und damit die Großmutter Jesu. Viele Kirchen sind nach ihr benannt, so auch in Schlesien. Alle Orte der Heiligen-Anna-Verehrung übertreffen an Bedeutung und Zahl der Pilger weit den Sankt Annaberg in Oberschlesien. Eine auf dem Chelmberg bei Bergstadt befindliche Kapelle des Heiligen Georg wurde um 1500 durch einen Neubau ersetzt und der Heiligen Anna geweiht, wodurch auch der Berg mit dem Dorf diesen Namen erhielt.
Ihr Gedenktag – und der ihres Ehemannes Joachim – ist der 26. Juli. Der Name Anna kommt aus dem Hebräischen und bedeutet „Jahwe hat sich erbarmt“. Er steht für Liebe, Gnade, Anmut. Das Neue Testament berichtet nichts über Anna und ihren Mann Joachim. Namentlich erwähnt werden die Großeltern Jesu zum ersten Mal im so genannten Protoevangelium des Jakobus, einer apokryphen Schrift. Es erzählt folgende Legende: Anna und Joachim sehnen sich viele Jahre vergeblich nach einem Kind. Immer wieder bitten sie Gott darum. Nach langen Jahren endlosen Wartens erscheint Joachim in der Wüste ein Engel und verkündet ihm die Geburt einer Tochter. Auch seine Ehefrau Anna erlebt eine Engelerscheinung und die Verheißung eines von Gott auserwählten Kindes. Anna und Joachim sprechen über die gemeinsame Vision. Nach neun Monaten kommt ein Mädchen zur Welt: Die Eltern nennen es Maria. Die Heilige Anna wird angerufen im Besonderen von Gebärenden und um Kindersegen und gegen Gewitter. Sie wird einfach als eine „liebevolle Großmutter“ wahrgenommen. Nach 1945 erlebte die Heilige-Anna-Verehrung in West-Deutschland einen Aufschwung vor allem durch die Vertriebenen und Aussiedler aus Schlesien.
Auch wenn erst 1995 die Verehrung der Heiligen Anna im Mariendom zu Velbert-Neviges einsetzte, entwickelte sich diese zu einer der drei größten Wallfahrten im Erzbistum Köln. Die zwar relativ junge Wallfahrt, die stets am letzten Juli-Sonntag gefeiert wird, beinhaltet schon im Namen etwas für die Menschen Fürsorgliches: Mutter-Anna-Wallfahrt. Als „spürbare großmütterliche liebevolle Zuneigung“ beschreibt Damian Spielvogel diese Gefühlslage. War es einst eine Wallfahrt (nur) der Schlesier, ist diese nun eine (schlesische) Mutter-Anna-Wallfahrt aller Menschen, egal ob Jung oder Alt, ob schlesischer oder nichtschlesischer Herkunft, auch derjenigen Christen, die der evangelischen Tradition zugehörig sind. So war es auch am 28. Juli 2024 in Neviges.
Dieses Jahr standen Kinder im Vordergrund der schlesischen Mutter-Anna-Wallfahrt im Sinne folgender Jesus-Aussage: „Lasst die Kinder zu mir kommen; hindert sie nicht daran! Denn Menschen wie ihnen gehört das Reich Gottes.“. Bereits vor dem Betreten des Mariendoms bekamen Kinder kleine Heilige-Anna-Erinnerungsbildchen sowie Schlesien- und Oberschlesien-Papierfähnchen gereicht. Für sie wurden eigens einige Sitzplätze ganz vorne reserviert, war doch auch dieses Jahr der Mariendom schon eine Stunde vor der Wallfahrtsmesse bis auf jeden letzten Platz gefüllt.
Dem Hochamt stand auch dieses Jahr der Wallfahrtsleiter Abbé Thomas Diradourian als Hauptzelebrant und Prediger vor. Ihm assistierte ein aus Frankreich kommender Priester der Priestergemeinschaft Sankt Martin. Abbé Thomas Diradourian zelebrierte die Heilige Messe erneut sehr würdevoll. Eine seiner Fürbitten — „Heilige Anna, beschütze Schlesien, das Bergische Land, das deutsche Vaterland und unsere heilige Kirche, halte Fürsprache für die lebenden und toten Mitglieder der Landsmannschaft Schlesien und der Landsmannschaft der Oberschlesier, gib unseren Priestern Kraft und Ausdauer, damit sie Christus, Deinen geliebten Enkelsohn, loben und preisen, sei den Priestern der Gemeinschaft Sankt Martin ein Beispiel des Glaubens.“ — bleibt den meisten Pilgern sicherlich in dauerhafter Erinnerung. In seiner exzellenten Predigt ging er u.a. auf die Bedeutung der Verehrung der Heiligen Anna ein. Die Mutter-Anna-Wallfahrt, so der Prediger, ist keine Folklore, sondern ein lebendiges Zeugnis des Glaubens und zugleich ein Wachhalten der Erinnerung an Schlesien und den Glauben der Vorfahren.
Die schlesische Wallfahrtskerze zündete dieses Jahr der 19-jährige Jan-Simon Symalla. Der gebürtige Velberter ist das jüngste Vorstandsmitglied der örtlichen Landsmannschaft Schlesien und zugleich ein bekannter Fußball-Profi des MSV Duisburg. Ihn begleiteten dabei Sophie (16) und Vanessa (11) Wieczorek, ebenfalls aus Velbert stammend.
Den Wallfahrtsgottesdienst begleiteten musikalisch zum wiederholten Male Marc-David Schwarz aus Solingen an der Orgel sowie erstmalig das Blasorchester Garath aus Düsseldorf. Diese musikalische Begleitung verleitete die Pilger zu einem Gesang mitinnigster Empfindung, bei dem meistens alle Strophen eines Kirchenliedes unermüdlich gesungen wurden.Obwohl diese Heilige Messe weit über eine Stunde dauerte, wollten die Besucher am liebsten noch weiterhin beim Gesang der alten schlesischen Kirchenlieder im Mariendom verweilen.
Der Mariendom war auch dieses Jahr dem Heilige-Anna-Fest geschuldet prachtvoll ausgeschmückt. Überall waren Dekorationselemente zu sehen, die einen Bezug zu Schlesien aufzuweisen hatten. Ferner rundeten Bergmänner in ihren schwarzen Uniformen, Frauen in traditionellen schlesischen Trachten sowie zahlreiche Fahnenabordnungen, nicht nur aus Nordrhein-Westfalen kommend, das optische Erscheinungsbild ab.
Erstmalig in der Geschichte der Mutter-Anna-Wallfahrt sollte die konsularische Vertretung der Republik Polen durch den Vizekonsul Bartłomiej Książek repräsentiert werden. Sein Besuch bei dieser schlesischen Vertriebenenwallfahrt musste leider kurzfristig aus wichtigen familiären Gründen abgesagt werden.
Die Bundesspitze der Landsmannschaft Schlesien war u.a. vertreten durch den Präsidenten der Schlesischen Landesvertretung Peter Beyer MdB, den Bundesvorsitzenden Stephan Rauhut, den Bundesschriftführer Peter Damaschek und Monika Schultze von der Redaktion der Schlesischen Nachrichten. Unter den Besuchern befand sich auch der Velberter CDU-Fraktionsvorsitzende Nico Schmidt.
Nachmittags wurde traditionell die Schlesische Feierliche Marienvesper mit Eucharistischem Segen abgehalten, der ebenfalls der Wallfahrtsleiter Abbé Thomas Diradourian vorstand.
Zwischenfand den beiden Gottesdiensten fand das alljährliche Schlesische Kirmesfest statt. Die Traditionsbetriebe Golly und Müller sorgten für die Versorgung der Besucher mit schlesischen Spezialitäten, die auch dieses Jahr viel Geduld aufbringen mussten, um sich dieser Köstlichkeiten erfreuen zu können. Großer Beliebtheit erfreute sich auch der Getränkestand, der von einigen Mitgliedern des Netzwerkes „Junges Schlesien“ betrieben wurde. Die Verantwortung hierfür übernahm der Jugendbeauftragte der Landsmannschaft Tobias Schulz.
Der Informationsstand der Landsmannschaft Schlesien, betreut von Getrud Bunzel und Monika Schultze, wurde zu einer beliebten „Informationsquelle“ für alle Schlesien-Begeisterten und ‑Neugierigen. Erstmalig war auch das Oberschlesische Landesmuseum aus Ratingen-Hösel mit Leonhard Wons mit einem Informationsstand vertreten. Auch hier konnten sich die Besucher über das vielfältige Programm dieser Einrichtung informieren.
Die Gesamtleitung der diesjährigen Wallfahrt oblag erneut Damian Spielvogel, Bundesgeschäftsführer und Vorsitzender der Landsmannschaft Schlesien in Velbert, der als Initiator dieser Wallfahrt dieser seit 1995 vorsteht. Ihm standen wie jedes Jahr zuvor zahlreiche Helfer aus den Reihen der örtlichen Landsmannschaft Schlesien in Velbert zur Seite.
Die im 27. Jahr ihres Bestehens stattgefundene Mutter-Anna-Wallfahrt, bei der die Erinnerung an die zahlreichen Pilgerfahrten zum Sankt Annaberg in Oberschlesien im Vordergrund steht, zeigte erneut, dass dies eine generationsübergreifende und gern angenommene religiöse Großveranstaltung ist, bei der die Sehnsucht nach Tradition, Verantwortung und Religiosität gestillt werden kann. Die schlesische Mutter-Anna-Wallfahrt zählt mittlerweile mit etwa 5.000 Besuchern zu der größten schlesischen Veranstaltung landsmannschaftlicher Art in der Bundesrepublik Deutschland.