Schlesien zwischen Preußen und Österreich 1742–1918

Der 16. Dezem­ber 1740 war ein schick­sal­haf­ter Tag in der Geschich­te Schle­si­ens. Der preu­ßi­sche König Fried­rich II., den man spä­ter den Gro­ßen nen­nen soll­te, über­schritt an die­sem Tag mit 27.000 Sol­da­ten die Gren­ze zu Schle­si­en und besetz­te in weni­gen Wochen das bis­her zum Reich der öster­rei­chi­schen Habs­bur­ger gehö­ren­de Land an der mitt­le­ren und obe­ren Oder. Drei Krie­ge wür­de der „alte Fritz“ gegen sei­ne habs­bur­gi­sche Riva­lin Maria-The­re­sia füh­ren müs­sen, bis der Groß­teil Schle­si­ens 1763 im Frie­den zu Huber­tus­burg Preu­ßen zuge­spro­chen wurde.

Schlacht bei Hohen­frie­de­berg: Angriff des preu­ßi­schen Gre­na­dier­gar­de­ba­tail­lons, 4. Juni 1745, Gemäl­de von Carl Röch­ling (1855–1920)

Wie war es dazu gekom­men? Am 20. Okto­ber 1740 war Kai­ser Karl VI. über­ra­schend ver­stor­ben. Er war von 1711 bis 1740 römisch-deut­scher Kai­ser und Erz­her­zog von Öster­reich sowie Sou­ve­rän der übri­gen habs­bur­gi­schen Erb­lan­de, als Karl III. König von Ungarn und Kroa­ti­en, als Karl II. König von Böh­men. Als Köni­ge von Böh­men waren die Habs­bur­ger zugleich auch Her­zö­ge von Schle­si­en. In der von ihm erlas­se­nen Prag­ma­ti­schen Sank­ti­on von 1713 war die Unteil­bar­keit der habs­bur­gi­schen Län­der vor­ge­se­hen sowie die weib­li­che Erb­fol­ge. Nach sei­nem Tod stand plötz­lich sei­ne poli­tisch uner­fah­re­ne ältes­te Toch­ter Maria-The­re­sia an der Spit­ze die­ses Län­der­kon­glo­me­rats. Obwohl Preu­ßen und ande­re deut­sche und euro­päi­sche Mäch­te die Prag­ma­ti­sche Sank­ti­on und damit die Erb­fol­ge­re­ge­lung und Unteil­bar­keit der habs­bur­gi­schen Ter­ri­to­ri­en aner­kannt hat­ten, erwie­sen sich die Zusi­che­run­gen schnell als Maku­la­tur. Umge­hend nach dem Tod des Kai­sers erhob Fried­rich II. Gebiets­an­sprü­che auf die schle­si­schen Fürs­ten­tü­mer Lie­gnitz, Brieg, Wohl­au und Jägern­dorf, die er mit äußerst frag­wür­di­gen Erb­an­sprü­chen begrün­de­te. Mit sei­nem Ein­marsch in Schle­si­en setz­te Fried­rich krie­ge­ri­sche Aus­ein­an­der­set­zun­gen in Euro­pa in Gang, die letzt­lich über 20 Jah­re andau­ern soll­ten. Am Ende fiel Schle­si­en an Preußen.

Nach dem Ers­ten Schle­si­schen Krieg und dem Vor­frie­den von Bres­lau (1742) wur­de ver­ein­bart, dass Öster­reich Nie­der- und Ober­schle­si­en bis zur Oppa und die bis dahin böh­mi­sche Graf­schaft Glatz, die nicht zu Schle­si­en gehört hat­te, an Preu­ßen abtre­ten muss­te. Die­se Gebiets­än­de­run­gen wur­den im Frie­den von Ber­lin (1742) und nach dem Zwei­ten Schle­si­schen Krieg im Frie­den von Dres­den (1745) sowie nach dem Sie­ben­jäh­ri­gen Krieg (1756–1763) im Frie­den von Huber­tus­burg (1763) bestätigt.

Ein klei­ne­rer Teil Schle­si­ens um Trop­pau, Jägern­dorf, Teschen und Bie­litz sowie der süd­li­che Teil des Fürs­ten­tums Neis­se blieb als Öster­rei­chisch-Schle­si­en bis 1918 Bestand­teil der öster­rei­chisch-unga­ri­schen Mon­ar­chie, zuerst (bis 1782) als Teil des König­reichs Böh­men, danach (bis 1849 und 1860–1861) Mäh­rens. Laut einem Dekret vom 4. März 1849 wur­den alle Völ­ker des Kai­ser­tums Öster­reich, dar­un­ter auch Schle­si­er, gleich­be­rech­tigt. Mit dem Dekret vom 30. Dezem­ber 1849 wur­de das Schle­si­sche Land, als Kron­land gebil­det. Es wur­de ein Schle­si­scher Land­tag (Schle­si­scher Kon­vent) in Trop­pau mit 30 gewähl­ten Abge­ord­ne­ten und dem Bres­lau­er Bischof gegrün­det. Ab 1866 waren sechs schle­si­sche Abge­ord­ne­te sogar Mit­glie­der des Staats­ra­tes in Wien, stell­ten den öster­rei­chi­schen Finanz­mi­nis­ter und beklei­de­ten ande­re hohe Staats­äm­ter in Öster­reich. Der Schle­si­sche Land­tag arbei­te­te mit einer zehn­jäh­ri­gen Pau­se (1851–1861) bis zum Zer­fall der k.u.k. Mon­ar­chie im Jahr 1918. Eben­falls zu Öster­reich gehör­ten ab 1772 die Her­zog­tü­mer Ausch­witz und Zator, die im 15. Jahr­hun­dert von Schle­si­en an Polen gelangt waren.

Die Lage der preu­ßi­schen Pro­vinz Schle­si­en (rot) in Preu­ßen (blau) und im Deut­schen Reich. (Kar­te: Wiki­me­dia, 52 Pick­up, Lage der Pro­vinz Schle­si­en in Preu­ßen, CC BY-SA 2.5)

Nach dem Wie­ner Kon­gress von 1815 ent­stand der kon­fö­de­ra­tiv orga­ni­sier­te Deut­sche Bund als Nach­fol­ger des 1806 auf­ge­lös­ten Hei­li­gen Römi­schen Rei­ches Deut­scher Nati­on, dem sowohl Öster­reich als auch Preu­ßen ange­hör­ten. Preu­ßen orga­ni­sier­te sei­ne Ter­ri­to­ri­en als Pro­vin­zen um und Schle­si­en wur­de eine der zunächst 10 Pro­vin­zen mit Bres­lau als Pro­vinz­haupt­stadt. 1816 kam die vom König­reich Sach­sen abzu­tre­ten­de nord­öst­li­che Hälf­te der Ober­lau­sitz zur preu­ßi­schen Pro­vinz hin­zu. Nach der Auf­lö­sung des Deut­schen Bun­des 1866 durch den Pra­ger Frie­dens­ver­trag und Bil­dung des Nord­deut­schen Bun­des (1867) sowie des Deut­schen Rei­ches (1871) wur­de nur Preu­ßisch-Schle­si­en Bestand­teil des deut­schen Nationalstaates.

Im 19. Jahr­hun­dert kam es in Schle­si­en zu einem öko­no­mi­schen Auf­schwung. Im Jahr 1842 wur­de die ers­te Eisen­bahn­li­nie zwi­schen Bres­lau und Ohl­au gebaut. Vor allem für Ober­schle­si­en brach­te das 19. Jahr­hun­dert eine rasche Indus­tria­li­sie­rung, ver­bun­den mit einem explo­si­ons­ar­ti­gen Bevöl­ke­rungs­wachs­tum und Ver­städ­te­rung. Auf der rech­ten Oder­sei­te befan­den sich die größ­ten Stein­koh­le­vor­kom­men Euro­pas, außer­dem Eisen- und Zink­erz­vor­kom­men. In der Nähe der Koh­le­flö­ze ent­stan­den rie­si­ge Hüttenindustrien.