Stabwechsel: Dr. Gotthard Schneider neuer Landesvorsitzender der Landsmannschaft in Bayern
Bei der Delegiertentagung der Landsmannschaft Schlesien in Bayern am 23. April 2022 in Straubing ging mit den turnusmäßigen Neuwahlen der Vorstandschaft eine Ära zu Ende. Nach 18 erfolgreichen Jahren hatte Landesvorsitzender Christian Kuznik altersbedingt auf eine erneute Kandidatur verzichtet und damit den Weg für einen Stabwechsel freigemacht. Dass die Schlesier trotz sinkender Mitgliederzahlen nach wie vor ein stabiler politischer und gesellschaftlicher Faktor sind, zeigte sich in deren Geschlossenheit bei den einzelnen Wahlgängen und im Besuch politischer Prominenz. So wurde Dr. Gotthard Schneider, München, in geheimer Abstimmung von allen 34 Delegierten zum neuen Landesvorsitzenden gewählt, Karl Biedermann, Herzogenaurach, als stellvertretender Vorsitzender bestätigt. Neu für die weitere Stellvertreterfunktion konnte der frühere Treuchtlinger Bürgermeister Werner Baum (SPD) gewonnen werden.
In Anwesenheit der Aussiedler- und Vertriebenenbeauftragten der Bayerischen Staatsregierung, Sylvia Stierstorfer, MdL, des Vorsitzenden des Haushaltsausschusses im Bayerischen Landtag, Josef Zellmeier, MdL, des BdV-Landesvorsitzenden Christian Knauer und Straubings drittem Bürgermeister, Werner Schäfer, konnte der scheidende Landesvorsitzende eine eindrucksvolle Bilanz ziehen. Dabei erinnerte Kuznik an die Durchführung der Seminare für oberschlesische Deutschlehrer, die Herausgabe des Informationsblattes „Wir Schlesier in Bayern“, die vielen Besuche bei Orts- und Kreisverbänden sowie Koordinationsaufgaben innerhalb des Bundes der Vertriebenen. In die bayerische Landesgeschichte hat er sich mit der Gründung der „Stiftung Schlesien.Bayern ‑MMIX-“ und der damit verbundenen Eröffnung des „Schlesischen Schaufenster“ 2017 in Straubing eingeschrieben. Die museale Einrichtung im alten Herzogschloss wird gut angenommen, platzt nach seinem Eindruck aber bereits „aus allen Nähten“. Es sei nur konsequent, so Christian Kuznik, dass er nach 13 Jahren auch nicht mehr für das Amt des Stiftungsratsvorsitzenden kandidiere.
Begonnen hatte die Tagung mit einem Empfang der Stadt Straubing und einer anschließenden Führung im Gäubodenmuseum. Für den im Urlaub befindlichen Oberbürgermeister Markus Pannermayr begrüßte dritter Bürgermeister Werner Schäfer (SPD) die Delegierten. In einer kurzen Ansprache stellte er die Herausforderung und Bedeutung der Heimatvertriebenen nach dem Zweiten Weltkrieg für seine Stadt heraus. Auch geschichtliche Bezüge nach Schlesien und dem Sudetenland blieben nicht außer Acht.
Ihre Verbundenheit mit der Landsmannschaft brachten in Grußworten auch Sylvia Stierstorfer und Josef Zellmeier zum Ausdruck. Für den Haushaltsvorsitzenden sei es ein Herzensanliegen gewesen, einen aktiven Beitrag zur Institutionellen Förderung des „Schlesischen Schaufensters“ und dessen professioneller Inventarisierung der Objekte zu leisten. Sylvia Stierstorfer, die auch die Grüße von Ministerpräsident Markus Söder überbrachte, versicherte, dass Bayern auch weiterhin an der Seite des BdV und der in ihm zusammengeschlossenen Landsmannschaften stehen werde. Mit Blick auf Polen kritisierte sie die beschlossenen Kürzungen des muttersprachlichen Unterrichts in Oberschlesien durch die polnische Regierung. Dabei sprach sie von einer erneuten Diskriminierung der deutschen Minderheit. Diese sei in Zeiten, in denen das freie Europa gegen die Aggression aus Russland zusammenstehe, vollkommen unverständlich. Sie versicherte, diese unerfreuliche Maßnahme im Nachbarland auch im Bayerischen Landtag zur Sprache zu bringen.
BdV-Landesvorsitzender Christian Knauer würdigte Christian Kuznik als „konstruktiven Mitstreiter“, der durch seinen unermüdlichen Einsatz vieles für seine Landsleute bewirkt habe. Namens des BdV-Landesvorstandes dankte er für „die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit“. Ein Höhepunkt dieses Miteinanders sei die Begegnungsreise des BdV zur deutschen Minderheit nach Schlesien gewesen. Für ihn sei es eine Ehre, dass Kuznik ihm die Tagungs- und Wahlleitung für diese Landesversammlung angetragen habe.
In seinen Abschiedsworten meinte Landesvorsitzender Kuznik, dass er in seiner langjährigen ehrenamtlichen Tätigkeit „die stete Gewissheit und Genugtuung empfand, auf der richtigen Seite zu stehen und nicht ganz umsonst gewirkt zu haben“. In 25 Jahren habe er als Mitglied im Landesvorstand und in 16 Jahren als stellvertretender Bundesvorsitzender nicht für sich gearbeitet, sondern sich für eine „wichtige und gerechte Sache engagiert“. Stets habe er versucht, sich leidenschaftlich für Schlesien und die Schlesier einzusetzen, ohne verbissen oder verblendet zu agieren. Er sei dankbar, dabei viele gute menschliche Kontakte erlebt zu haben.
„Größten Dank“ zollte dem scheidenden Vorsitzenden auch dessen Nachfolger, Dr. Gotthard Schneider. Christian Kuznik könne zu Recht als „Vater der Stiftung und ihrer Satzung“ bezeichnet werden. Dieser habe das Erbe seines Vorgängers, Helmut Riedel, nicht nur gut verwaltet, sondern mit neuen Innovationen nachhaltig bereichert. Da blieb, so Dr. Schneider, „nicht viel Zeit für die Familie, den Posaunenchor, die Weinstöcke und die Bienenvölker“. Die Vorstandschaft hatte deshalb beschlossen, ihm, in Form eines Gutscheins für einige Wellnesstage, ein bisschen etwas von dieser Zeit zurückzugeben und ihm dabei den Abstand von den bisherigen umfangreichen Arbeiten leichter zu machen.
In einer kurzen Antrittsrede signalisierte der neue Landesvorsitzende, dass die Eckpfeiler der landsmannschaftlichen Arbeit auch weiter das Bekenntnis zur Geschichte Schlesiens, die ungeschönte Darstellung und Weitergabe der Tragödie seiner Menschen durch Flucht und Vertreibung nach dem Zweiten Weltkrieg sowie die Bewahrung des reichen kulturellen Erbes Schlesiens sein würden. Auch der Kontakt zu den heimatverbliebenen Landsleuten sei ihm ein Anliegen. Eine Veränderung kündigte er im Hinblick auf die Öffentlichkeitsarbeit an. So strebe er an, das bisherige Info-Blatt „Wir Schlesier in Bayern“ nicht mehr fortzuführen, sondern mit dem Mitteilungsblatt der Frauenreferentin zusammenzulegen. Dadurch könnten Doppelungen in den Beiträgen entfallen, Druck- und Versandkosten verringert und mehr Leser erreicht werden. Ein Herzensanliegen werde für ihn die persönliche Präsenz in den Kreis- und Ortsgruppen sein. Ziel sei es dabei, aufkommenden Auflösungstendenzen entgegenzuwirken und durch eine Verstärkung der Einzelmitgliedschaften beim Landesverband für eine finanzielle Stabilität zu sorgen.
S. M.