Zwischenkriegszeit und Volksabstimmung in Oberschlesien 1919–1938
Nach dem Ersten Weltkrieg kam es in Mitteleuropa zu tiefgreifenden geopolitischen Veränderungen. Die Kriegsverlierer, das kaiserliche Deutsche Reich und Österreich-Ungarn, mussten ihre Teile Schlesiens ganz oder teilweise zu Gunsten der neu entstandenen Staaten Polen und Tschechoslowakei abgeben. Das Hultschiner Ländchen – der Südteil
des Landkreises Ratibor – war bereits Ende 1918 von der Tschechoslowakei militärisch besetzt worden und kam im September 1919 mit dem Vertrag von St. Germain zur Tschechoslowakei. Das österreichische Kronland Österreichisch-Schlesien kam nach dem Ersten Weltkrieg überwiegend
zur neu gegründeten Tschechoslowakei – ein kleiner Teil zu Polen.
Besonders umstritten war Oberschlesien. Der 13. Punkt der „offiziellen Friedensziele der Alliierten“ sah die Wiederherstellung eines unabhängigen polnischen Staates vor und zwar ausdrücklich nicht in den historischen Grenzen vor den Teilungen Polens, sondern mit allen „von einer unbestreitbar polnischen Bevölkerung bewohnten Gebieten“. Der Versailler Vertrag sah vor, dass ganz Oberschlesien Polen zugesprochen werden sollte. Dies wurde jedoch vor allem aufgrund britischer Einflussnahme zu Gunsten eines Plebiszits geändert. Die Volksabstimmung in Oberschlesien fand im März 1921 statt, dabei votierten rund 60 Prozent für den Verbleib beim Deutschen Reich, 40 Prozent für den Anschluss an Polen. Die über drei Jahre andauernden Spannungen vor und nach dem Plebiszit mündeten in bewaffnete Kämpfe und Aufstände in Oberschlesien. Über die endgültige Teilung Oberschlesiens wurde erst 1922 entschieden, wobei der Oberste Rat der Alliierten zirka 70 Prozent des Abstimmungsgebiets dem Deutschen Reich und zirka 30 Prozent Polen zusprach, ohne dass die Teilungslinie immer lokalen Mehrheitsverhältnissen beim Plebiszit entsprach.